Europa trifft sich an der BBS Wirtschaft Trier - Comenius-Schulprojekt 2003 - 2006
Unter dem Titel "Riesling rising through European Trade: Schüler handeln mit Wein im erweiterten Europa" wurde von 2003 bis 2006 an der BBS Wirtschaft Trier erstmals ein Comenius-Schulprojekt durchgeführt. Im Rahmen des Sokrates-Aktionsprogramms der Europäischen Union wurde dieses europäische Bildungsprojekt finanziell unterstützt mit Zuschüssen für Projektkosten und Mobilität von Schülern und Lehrern. Als offizielle Koordinierungsschule übernahm die BBS Wirtschaft Trier die Federführung bei der Planung, Durchführung und Evaluation des Projekts, in das sechs europäische Schulen eingebunden waren.
Die Projektidee
Unter dem Dach eines supranationalen Schülerunternehmens der Wein- und Sektbranche gründeten Schüler aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und Spanien in ihren Schulen miteinander kooperierende Modellunternehmen, übernahmen Managementrollen und agierten auf europaweiten Beschaffungs- und Absatzmärkten.
Import, Export, Transport
Aufgabe des deutschen Schülerunternehmens Schloss Moselle AG der BBS Wirtschaft in Trier war die Produktion und Vermarktung von Riesling Sekt. Die französischen Schüler des Lycée Privé Les Arcades in Dijon gründeten die Firma Les Ducs Bacchus und handelten mit Burgunderweinen. Das spanische Schwesterunternehmen Ibercork S. A. (IES Laguna de Joatzel in Getafe bei Madrid) produzierte die Naturkorken zum Verschluss der Sekt- und Weinflaschen. Die belgische Spedition Trans ZAWM (Zentrum für Aus- und Weiterbildung in Eupen) konkurrierte mit der deutschen Spedition Loco GmbH (BBS Wirtschaft Trier) um die Aufträge für den Transport der Produkte. Das polnische Unternehmen Dionizos (ZSP Klanino bei Danzig) war verantwortlich für den Osthandel und die touristische Vermarktung. Zum Aufgabenbereich der englischen Schüler des Weston Colleges in Weston-super-Mare bei Bristol zählten Web-Design und E-Commerce.
Per E-Mail, Internet und Online-Chat in Kontakt
Die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen den europäischen Schülerunternehmen erforderte permanente Kooperation und Kommunikation - ein natürlicher Anlass für Schüler und Lehrer, die Möglichkeiten moderner Informationstechnologien zu nutzen. Ob digitalisierte Plakate, Fotos, Umfragen oder Berichte - die Projektinformationen erreichten via E-Mail oder Kommunikationsplattform, im Live-Chat oder per Datenaustausch über CD-Rom die Partner.
Zu Gast bei Freunden
Sowohl für Schüler als auch für Lehrer war das unmittelbare persönliche Kennenlernen im Rahmen der gemeinsamen Projekttreffen (im Comenius-Programm Mobilitätsmaßnahmen genannt) - entscheidender Impulsgeber und Motivationsfaktor für den Projektverlauf. Es entwickelten sich Bekanntschaften, Freundschaften und ein Teamgeist, der das gemeinsame Arbeiten erleichterte und vorantrieb. Schüler und Lehrer aus den Partnerländern trafen sich 2004 in Polen und Frankreich, 2005 in Spanien und Deutschland, 2006 in England und Deutschland.
Diese Projekttreffen hatten jeweils ein Geschäftsführungsmeeting zum Anlass: Schüler als Vertreter der Unternehmen aus den einzelnen Ländern präsentierten die bisher durchgeführten Projektaktivitäten. Die Projektfortschritte wurden evaluiert, die unternehmerischen Handlungen der Folgeperiode geplant und miteinander abgestimmt. In Workshops arbeitete man gemeinsam an Name und Logo des supranationalen Unternehmens, sammelte fachliches Know How zu Weinanbau und -vermarktung, entwarf Konzepte zu Marketing, Corporate Identity, E-Commerce und Logistik. Man konzipierte ein Internet-Bestellformular für Wein und Sekt oder trainierte in Fallstudien berufliche Kompetenzen im Bereich der Unternehmenskommunikation und Handelskorrespondenz.
Teamwork, aber auch das Rahmenprogramm mit Raum für das Erleben kultureller Besonderheiten in den einzelnen Ländern, sportliche Begegnungen und der persönliche Austausch mit den Partnern prägten die gemeinschaftlichen Erfahrungen. So organisierte das Gastgeberland Polen einen Segeltörn in der Danziger Bucht und gestattete seinem Volleyballgegner „Rest of Europe“ immerhin einen Satzerfolg. Ein ergreifendes Erlebnis war für alle Projektpartner, in Polen gemeinsam mit den polnischen Freunden deren Aufnahme in die EU zu feiern. Die burgundische Hauptstadt Dijon war Terrain für Marktforschung vor Ort beim Winzer und im Weinfachhandel. Die Spanier ließen ihre Partner die Kulturlandschaft in Madrid, Segovia und Toledo entdecken. England zeigte sich stolz auf das Millenium-Stadion von Wales und arrangierte ein Event zur Präsentation der nationalen Besonderheiten aller Partnerländer. In Trier startete eine Rallye auf den Spuren der Römer; gemeinsames Klettern in den Felsen der Mosel verlangte Vertrauen, Konzentration und Körpereinsatz.
Von der Produktidee bis zur Vermarktung - Grenzüberschreitende Projektarbeit
Nachdem die kooperierenden Schülerunternehmen in allen beteiligten Ländern gegründet worden waren, startete die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auf selbst entwickeltem, mit eigenem Firmenlogo versehenen Geschäftspapier verfassten die Schülerteams die für den Handel mit Wein, Sekt und Korken erforderliche Korrespondenz: Anfragen, Angebote, Bestellungen und Reklamationen wurden je nach Adressat in deutscher, englischer oder französischer Sprache formuliert.
Besonders stolz waren die Schüler auf die Etiketten der Wein- und Sektflaschen und die Verkaufsbroschüren für die Naturkorken: Idee und Gestaltung stammen von ihnen selbst, für die Erfordernisse der Drucktechnik wurden sie von Künstlern und Grafikdesignern unterstützt. Die Produktion des Riesling Sekts übernahm eine ortsansässige Sektkellerei. Die Auswahl des benötigten Personals über Stellenanzeigen und Interviews lag in Schülerhand. Dass die Arbeitsbedingungen in den sechs Partnerländern unterschiedlich sind, entdeckte man bei einem synoptischen Vergleich der Sozialversicherungssysteme.
Um die Sektkellerei Schloss Moselle AG am Sektmarkt auszurichten und zu etablieren, wurden in konkurrierenden Arbeitsgruppen unterschiedliche Marketingkonzepte entwickelt. Angewandte Marktforschung stand zunächst auf dem Programm: Auswerten von Fachzeitschriften, Marktanalysen und Charts, sowie die Durchführung gezielter Befragungen. Die hierzu konzipierten Fragebögen wurden in englisch, französisch, polnisch und spanisch übersetzt und an die Partner gesandt. Schülerteams der Partnerschulen führten die Umfragen durch, so dass z. T. vergleichende Auswertungen möglich waren. Infolge ihrer Marktforschungsergebnisse erweiterten die Schüler die Produktpalette ihres Unternehmens um einen qualitativ hochwertigen Mosel Riesling Winzersekt und änderten das bisherige Outfit der Flaschen (Form, Farbe und Etikett). In Eigenregie setzten sie ihre Ideen um: in Zusammenarbeit mit einem Winzer produzierten sie Mosel Riesling Winzersekt mit selbst gestalteten Etiketten und präsentierten Konzepte zur Gestaltung von klassischen Printmedien, Internetwerbung, Sales Promotion, Public Relations, Sponsoring, Eventmarketing und Product Placement.
Vielfalt der Schulformen an der BBS Wirtschaft Trier – eine Chance für das Projekt
Die Projektergebnisse wurden durch die Zusammenarbeit verschiedener Klassen und Schulformen erreicht; man profitierte gegenseitig von unterschiedlichem Expertenwissen und beruflichen Erfahrungen: Die betriebswirtschaftliche Realisierung übernahmen Klassen des Bildungsgangs Betriebswirtschaftslehre der Höheren Berufsfachschule, der Berufsoberschule und der Berufsschule (Speditions- und Industriekaufleute). Die Experten für Datenverarbeitung (Bildungsgang Datenverarbeitung der Höheren Berufsfachschule) entwickelten für die beiden Unternehmen Schloss Moselle AG und Loco GmbH jeweils eine firmeneigene Homepage und konzipierten im gemeinsamen Workshop mit den europäischen Partnern die Internetformulare zur Online-Bestellung. Die Fremdsprachenklassen der Höheren Berufsfachschule brachten ihre sprachlichen Kompetenzen in das Projekt ein: sie verfassten die Handelskorrespondenz, übersetzten die Fragebögen in alle erforderlichen Sprachen und dolmetschten Präsentationen. Angehende Bankkaufleute informierten über Möglichkeiten, Risiken (Sicherheit) und Kosten der elektronischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs beim Kauf von Schloss Moselle Sekt über das Internet. Schüler einer Speditionsklasse berieten über mögliche Dienstleistungsangebote der Spedition Loco GmbH für die Schloss Moselle AG: Sie präsentierten die Möglichkeiten ihres Unternehmens im Transport und der Zustellung sowie ihre breite Palette an Lagerdienstleistungen.
Sprache - das wichtigste Kommunikationsmedium
Ob im gemeinsamen Workshop zu Marketingkonzepten oder während des Freizeitprogramms: sachgerecht international miteinander kommunizieren zu können verlangt entweder eine gemeinsame Sprache oder fachlich korrekte Übersetzungen. Mit dieser Erkenntnis wuchs die Motivation bei den teilnehmenden Schülern, Fremdsprachen besser zu beherrschen. Da man gleich von Anfang an in multinationalen Teams arbeitete, ordneten sich die naturgemäß vorhandenen Sprachschwierigkeiten der gemeinsamen Sacharbeit unter. Nach anfänglich großer Scheu erkannte man sehr schnell, dass jeder mit den gleichen Hindernissen zu kämpfen hatte; es entwickelte sich eine Mentalität, sich gegenseitig zu helfen und das Selbstvertrauen, in anderen europäischen Sprachen zu kommunizieren.
Schüler als Unternehmer
Die Praxisorientierung des Projekts zeigte sich an unterschiedlichen Aspekten: Die Schüler handelten in der Rolle von Managern in (Modell-) Unternehmen, stellten in Zusammenarbeit mit Sektkellereien, Druckereien und Winzern ein reales Produkt her und vermarkten beispielsweise in Trier ca. 500 Flaschen Riesling Sekt und 60 Flaschen Riesling Winzersekt bei Abschlussfeiern der verschiedenen Schulformen und im freien Verkauf.
Die Kooperation mit den Partnern aus der Wirtschaft lieferte auch den fachlichen Input aus der Unternehmenspraxis. Für Schüler und Lehrer fanden Betriebserkundungen zu Sektkellereien, Korkherstellern und Weinfachhandel sowie Gesprächsrunden mit Mitarbeitern in Produktion und Management statt. Daten- und Informationsmaterial wurde zur Verfügung gestellt.
Fazit
Die an diesem europäischen Bildungsprojekt beteiligten sechs Partnerschulen sehen das Comenius-Projekt als Chance, die Qualität der Bildung zu verbessern und das eigene Schulprofil in stärkerer europäischer Ausrichtung als moderne, praxisgerecht ausbildende Schule zu schärfen. Internationale Kommunikation, Kontaktpflege und Präsenz der Projektpartner an der Schule sind zu einer positiv bereichernden Selbstverständlichkeit geworden. Das Projekt leistet einen Beitrag dazu, das Bewusstsein für die Verschiedenheit und das Miteinander der Kulturen zu fördern, jungen Menschen einen Ausblick in neue, erweiterte berufliche Möglichkeiten zu öffnen, Schüler zu Fremdsprachenerwerb zu motivieren und ihnen Mobilität und Zugang zu Europa zu ermöglichen.